Samstag, 24. Januar 2009
 
Pressefreiheit in der 1.Welt sinkt PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Reporter ohne Grenzen   
Freitag, 27. Oktober 2006

"Reporter ohne Grenzen" (ROG) haben auch heuer wieder ein Ranking über den weltweiten Zustand der Pressefreiheit erstellt. 166 Staaten haben ROG unter die Lupe genommen. Die Schlußlaterne trägt wenig überraschend Nordkorea. In Finnland, Irland, Island und den Niederlanden hingegen kennt laut ROG die Pressefreiheit kaum nenneswerte unzulässige Einschränkungen. Doch einige Machtstaaten der sog. 1.Welt (USA, Japan, Deutschland, Frankreich) sind 2006 schwer abgerutscht. Österreich teilt sich mit Bolivien und Kanada Platz 16.

„In den Ländern, die zu den größten Feinden der Pressefreiheit gehören, hat sich kaum etwas geändert“, stellt Reporter ohne Grenzen in ihrer fünften Rangliste zur Lage der Pressefreiheit weltweit fest. „Journalisten in Nordkorea, Eritrea, Turkmenistan, Kuba, Myanmar und China riskieren für unabhängige Recherchen und Berichte noch immer massive Drohungen, Schikanen und langjährige Haftstrafen, manchmal sogar ihr Leben. Regierungen in diesen Ländern dulden keinerlei Kritik. Medien stehen unter ihrer Kontrolle und Abweichungen von der offiziellen Linie werden unnachgiebig verfolgt.“

Doch es gibt auch positive Trends: „Jedes Jahr steigen neue Länder aus ärmeren Regionen auf und nehmen Plätze vor einigen europäischen Ländern oder den USA ein. Dies zeigt, dass auch ärmere Staaten das Recht auf Information achten können. Die Aushöhlung der Pressefreiheit in den USA, in Frankreich und in Japan ist dagegen alarmierend“, so Reporter ohne Grenzen (ROG).

Nordkorea (168.), das Schlusslicht, Turkmenistan (Platz 167) und Eritrea (Platz 166) haben ihre schlechte Stellung gehalten. Der Tod durch Folter an der turkmenischen Journalistin Ogulsapar Muradova zeigt, dass Separmurad Nyazov, Präsident auf Lebenszeit, auch Gewalt einsetzt, um unliebsame Kritiker auszuschalten.

In Eritrea werden 14 Journalisten seit mehr als fünf Jahren an einem unbekannten Ort ohne offizielle Anklage gefangen gehalten. Kim Jong-Il, Nordkoreas allmächtiger Führer, übt weiterhin die totale Kontrolle über die Medien aus.

Die USA, Japan und Frankreich rutschen ab

Die USA (53.) hat gegenüber dem Vorjahr neun Plätze eingebüßt. Beim ersten Ranking in 2002 stand die USA noch auf Platz 17. Die Beziehungen zwischen den Medien und der Bush-Administration haben sich massiv verschlechtert, seitdem dem Präsidenten jeder Journalist verdächtig erscheint, der den „Anti-Terror-Krieg“ kritisch hinterfragt.

In mindestens 17 Bundesstaaten wird der Quellenschutz abgelehnt, das trifft auch diejenigen, deren Recherchen nichts mit Terrorismus zu tun haben.

Der freie Journalist und Blogger Josh Wolf wurde verhaftet, nachdem er sich weigerte, Video-Aufnahmen herauszugeben. Der sudanesische Kameramann Sami al-Haj, der für den arabischen Sender „Al-Jazeera“ arbeitet, wird seit Juni 2002 ohne Gerichtsverfahren in der US-Militärbasis Guantanamo festgehalten. „Associated Press“-Fotograf Bilal Hussein ist seit April dieses Jahres im Irak in US-Gewahrsam.

Frankreich (35.) rutschte im Berichtszeitraum um fünf Plätze ab, was ein Verlust von 24 Rängen in fünf Jahren bedeutet. Redaktions- und Hausdurchsuchungen haben zugenommen. Im Herbst 2005 wurden mehrere Journalisten tätlich angegriffen und bedroht.

In Japan bedrohen zunehmender Nationalismus und das System der exklusiven Presseclubs die demokratischen Standards. Das Land fiel um 14 Plätze auf Rang 51. Die Zeitung „Nihon Keizai“ wurde mit einer Brandbombe attackiert und mehrere Journalisten wurden von rechten Gewalttätern angegriffen.

Deutschland ist vom 18. auf den 23. Platz zurückgefallen. Der Bundesnachrichtendienst hat über zehn Jahre hinweg bis zum Herbst 2005 Journalisten illegal überwacht. Im Fall „Cicero“ gab es Redaktions- und Hausdurchsuchungen; das Verfahren wegen „Beihilfe zum Geheimnisverrat“ gegen zwei Journalisten wurde inzwischen eingestellt. Der Zugang zu Daten ist – trotz Verabschiedung des Informationsfreiheitsgesetzes – zum Teil immer noch erschwert.

Mohammed-Karikaturen: Rangverlust für Dänemark

Dänemark (19.) verlor seinen ersten Platz. Nach Veröffentlichung der sogenannten Mohammed-Karikaturen im Herbst 2005 wurden die Autoren sowie Journalisten bedroht. Sie mussten Polizeischutz beantragen in einem Land, das für die Achtung von Bürgerrechten bekannt ist.

Außer Saudi-Arabien (161.) und dem Jemen (149.) und verbesserten sich alle Länder der arabischen Halbinsel beträchtlich. Kuwait (73.) hielt seinen Platz an der Spitze der Gruppe, kurz vor den Vereinigten Arabischen Emiraten (77.) und Katar (80.).

Newcomer rücken auf Spitzenplätze

Zwei Länder sind erstmals in die Top 20 aufgerückt. Bolivien (16.) erreichte von den ärmeren Ländern die beste Platzierung. Pressefreiheit wird dort genauso geachtet wie in Kanada oder Österreich. Die zu beobachtende Polarisierung zwischen staatlichen und privaten Medien und zwischen Anhängern und Gegnern von Präsident Evo Morales könnte die Situation zukünftig allerdings verschlechtern.

Seit dem Ende des Krieges in Ex-Jugoslawien schiebt sich Bosnien-Herzegowina (19.) auf der Rangliste kontinuierlich weiter vor und liegt nun vor den EU-Mitgliedsstaaten Griechenland (32.) und Italien (40).

Ghana (34.) ist um 32 Plätze vorgerückt und liegt damit innerhalb Afrikas an vierter Stelle hinter den traditionellen Spitzenreitern Benin (23.), Namibia (26.) und Mauritius (32.). Die ökonomische Situation der ghanaischen Medien ist nach wie vor schwierig, aber von den Behörden droht ihnen keine Gefahr mehr.

Krieg als Zerstörer der Pressefreiheit

Der Libanon – dessen Medien traditionell zu den freiesten in der arabischen Welt gehören – ist innerhalb von fünf Jahren vom 56. auf den 107. Platz zurückgefallen. Die Medien des Landes leiden unter der weiterhin angespannten politischen Atmosphäre der Gesamtregion. In 2005 kam es zu einer Serie von Bombenattentaten auf Medienvertreter und in diesem Jahr zum militärischen Angriff Israels.

Die Tatsache, dass die Palästinensische Autonomiebehörde (134.) außerstande ist, auf ihrem Territorium stabile Verhältnisse zu gewährleisten, und das Verhalten Israels (135.) jenseits
seiner eigenen Grenzen bedeuten eine schwere Bedrohung für die Medienfreiheit im Nahen Osten.

168 Listenplätze

Reporter ohne Grenzen hat für die Rangliste 166 Länder ausgewertet (die USA und Israel wurden zweimal gelistet: für das Land selber und das Vorgehen im Irak bzw. in den Palästinensischen Gebieten). Die Menschenrechtsorganisation hat sich mit 50 Fragen zur Situation in den jeweiligen Ländern an ihre Partner (14 Organisationen, die sich weltweit für Pressefreiheit einsetzen) ihr Korrespondenten-Netzwerk und an Journalisten, Rechercheure, Juristen und Menschenrechtler gewandt. Berücksichtigt wurde der Zeitraum von September 2005 bis Ende August 2006.

Der Index ist kein Indikator für die Qualität der Berichterstattung in den jeweiligen Ländern.


Die komplette Liste plus ausführliche Kommentare zu den einzelnen Weltregionen sowie zur Methodik der Listenerstellung finden sich unter http://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste-2006.html sowie in dort angeührten Links.
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